Veröffentlichung des Spielplans 2021.22

Mit dem Spielzeitmotto „Darum lasst uns Menschen sein“ von Wolfgang Amadeus Mozart geht das Tiroler Landestheater in die Spielzeit 2021.22. Das Zitat ist Ausdruck dessen, was Kulturbegeisterte – egal, ob Produzent*innen oder Konsument*innen – für das Leben als unverzichtbar erachten: live erlebbaren Theater- und Konzertgenuss. Gerade jetzt, nach einer Spielzeit, in der das gesamte gesellschaftliche und kulturelle Leben fast zum Erliegen gekommen ist.

„Theater und Konzerthäuser sind Orte der Sehnsucht, der Vergegenwärtigung und der Begegnung“, betont Intendant Johannes Reitmeier, der in seine zehnte Spielzeit in Innsbruck startet. „Wir sind vom Optimismus erfüllt, dass die Auswirkungen der Pandemie auf unsere Spielstätten in der Spielzeit 2021.22 hinter uns liegen werden und das Publikum unter normalen Bedingungen zurückkehren kann.“ Die Antwort auf die Corona-Krise und ihre Folgen, so der Intendant, könne nur eine zutiefst künstlerische sein: „Wir bieten unserem Publikum wieder eine größtmögliche programmatische Vielfalt an Stücken, Besetzungen und Interpretationen und zeigen die Kraft von Kunst in ihrer ganzen inspirierenden Sinnlichkeit und Energie.“

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Tiroler Landestheater Innsbruck . Spielzeitpräsentation 2021.22

Musiktheater

Michael Nelle, seit der Saison 2020.21 Operndirektor am Haus, blickt voller Vorfreude in die kommende Spielzeit, deren Klammer die beiden „Publikumslieblinge“ Die Zauberflöte als Auftakt bzw. Tosca als Abschluss bilden: Der weit über Tirols Grenzen hinaus bekannte Schauspieler Gregor Bloéb wird mit Mozarts meistgespieltem Werk erstmals eine Oper inszenieren. Als Königin der Nacht kehrt Sophia Theodorides ans Tiroler Landestheater zurück. Ein Wiedersehen gibt es auch mit Thilo Reinhardt: Nachdem er Innsbruck mit Simon Boccanegra und Rusalka bereits in der Vergangenheit spannende Musiktheaterproduktionen geschenkt hat, inszeniert er nun Giacomo Puccinis Tosca mit Aurelia Florian in der Titelrolle.

Die Passagierin von Mieczysław Weinberg ist für Michael Nelle eine der wichtigsten Opern des 20. Jahrhunderts – und eines der wenigen Stücke im Musiktheater, das sich auf so eindringliche und bewegende Weise mit einem der dunkelsten Kapitel der Geschichte, dem Holocaust, auseinandersetzt. Die Oper wird am TLT von Johannes Reitmeier inszeniert und bringt mit Nadja Stefanoff und Dshamilja Kaiser zwei exzellente Sängerinnen nach Innsbruck. Angela Denoke, gefragte Sopranistin und Kammersängerin der Wiener Staatsoper, hat die ebenso darstellerisch wie gesanglich herausfordernde Partie der Salome international bereits mehrfach interpretiert – in Innsbruck führt sie erstmals Regie bei Richard Strauss‘ Musikdrama. Eine Premiere erlebt auch Jacquelyn Wagner, die derzeit weltweit große Wagner- und Strauss-Partien singt: Sie wird in Innsbruck erstmals die Salome geben.

Der Goldene Drache wurde als Schauspiel bereits 2017 in Innsbruck gezeigt, nun folgt in den Kammerspielen die Musiktheater-Fassung von Peter Eötvös, die für eine äußerst moderne Farbe im Spielplan sorgt und dabei die aktuelle Thematik Einwanderer sowie die Situation der Illegalität behandelt. Stephen Sondheims Sweeney Todd, ein opernhaftes, opulentes Musical, wird fast komplett aus dem eigenen Ensemble besetzt und garantiert schaurig-schräge Unterhaltung, mit Johannes Maria Wimmer als Sweeney und Susanna von der Burg als Mrs. Lovett. Johannes Reitmeier inszeniert Wolfgang Sréters Musical Das Cabinet des Doktor Caligari, die eine anspruchsvolle, düstere Geschichte in die Kammerspiele bringt. In der österreichischen Erstaufführung übernimmt Dale Albright die Titelrolle. Jules Massenets Lyrisches Drama Werther wird im Großen Haus in der Inszenierung von Thaddeus Strassberger zu erleben sein, der die ursprüngliche Handlung – Wetzlar um 1780 – in die USA der 1970er Jahre verlegt. Jon Jurgens singt Werther, Camilla Lehmeier gibt Charlotte.

Anette Leistenschneiders fantasievolle, moderne Inszenierung von Gioachino Rossinis Komischer Oper L’italiana in Algeri wurde in dieser Saison schon vorgeprobt, konnte aber pandemiebedingt nicht gezeigt werden. Sie zieht kurz vor Weihnachten ins Große Haus ein, mit Camilla Lehmeier und Lamia Beuque alternierend in der Titelrolle. María de Buenos Aires kommt zur Wiederaufnahme: Astor Piazzollas Tango-Operita, inszeniert und choreografiert von Enrique Gasa Valga, sorgte im Mai 2021 bereits viermal für ein ausverkauftes Großes Haus. Julietta Anahi Frias, Tangosängerin und Tänzerin aus Buenos Aires, übernimmt wieder die Titelrolle.

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Tiroler Landestheater Innsbruck . Spielzeitpräsentation 2021.22

Schauspiel

Schauspieldirektorin Christina Alexandridis ist erfreut, dass fast alle Produktionen aus der vergangenen, pandemiebestimmten Spielzeit „gerettet“ werden konnten, sie selbst aber dennoch die Chance hat, spannende und überraschende Puzzleteile in den Spielplan einzusetzen. Eröffnet wird die neue Spielzeit im Großen Haus mit Blues Brothers. Im Auftrag des Herrn, einem Gute-Laune-Stück nach dem Kultfilm aus den achtziger Jahren mit Ohrwurmgarantie. Engel in Amerika. Die Jahrhundertwende naht, 1993 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet, gilt als Meilenstein der amerikanischen Theatergeschichte, die Fernsehverfilmung mit Al Pacino, Meryl Streep und Emma Thompson erhielt fünf Golden Globes. Für Alexandridis ist es eines der stilprägendsten Stücke der letzten 35 Jahre und daher höchst an der Zeit, am Tiroler Landestheater gezeigt zu werden. AIDS, Rassismus, Homosexualität, religiöser Wahn, Antikommunismus und -semitismus – Regisseur Felix Hafner nähert sich den brandaktuellen Themen gleichermaßen realistisch wie fantasievoll.

Im [K2] vereint Grufttheater : Weissagung eine Uraufführung von Otto Grünmandl mit Peter Handkes Debütstück und widmet sich damit zwei außergewöhnlichen österreichischen Literaten. Es inszeniert der junge Südtiroler Joachim Gottfried Goller, der aktuell sein Regie-Studium an der Universität Mozarteum abschließt. Aus Nordtirol stammt Peter Lorenz, der die Inszenierung von Gute Geständnisse besserer Menschen von Gerhild Steinbuch übernehmen wird – es ist die Uraufführung eines Stücks, das perfekt in unsere Zeit passt, an das sich bislang aber noch kein Theater gewagt hat. Max Simonischek, in den Kammerspielen bereits mit und in Der Bau zu erleben, widmet sich mit Kafka umírá – Kafka stirbt den verschiedensten Tierwesen in Kafkas Werk und wählt die Kammerspiele des Tiroler Landestheaters für seine allererste Regiearbeit.

In Vögel verknüpft Wajdi Mouawad, frankokanadischer Autor mit libanesischen Wurzeln, eine komplexe Familiengeschichte voller Schuld und Lüge mit dem Nahost-Konflikt, in The Who and the What stellt Ayad Akhtar, dessen Geächtet in der Spielzeit 2017.18 äußerst erfolgreich in den Kammerspielen lief, Fragen, die nicht nur die muslimische Community etwas angehen: Was bedeutet Familie? Was bedeutet Glaube? Außerdem erwartet das schauspielinteressierte Publikum im Großen Haus Edward Albees kultiges Psychodrama Wer hat Angst vor Virginia Woolf? und in den Kammerspielen Max Frischs Welterfolg Homo faber sowie Stefan Vögels entlarvende Komödie Die Niere, in der eine Frau die Liebe ihres Mannes auf die Probe stellt.

Mit der Spielzeit 2021.22 stellt das TLT das Theater für junges Publikum neu auf und plant ein umfangreiches Programm für den Nachwuchs. Gastspieler sollen beispielsweise zweimal pro Jahr für neue ästhetische Erfahrungen und Sichtweisen am Haus sorgen, außerdem wird ein eigenes Stück für ein junges Publikum ab vier Jahren entwickelt.

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Tiroler Landestheater Innsbruck . Spielzeitpräsentation 2021.22

Tanzcompany Innsbruck

Das Große Haus wird nach einer umfassenden Sanierung und Modernisierung am 3. Oktober 2021 mit Romy Schneider eröffnet, Enrique Gasa Valgas Hommage an die zur Kultfigur avancierten Sissi-Darstellerin und Grande Dame des französischen Films. Gasa Valga und sein Ensemble starten aber bereits am 17. September 2021 mit dem Tanzstück Terra Baixa in den Kammerspielen in die neue Saison. Das bekannteste Werk seines katalanischen Landsmanns Ángel Guimerà ist voller Leidenschaft und es war immer Gasa Valgas Wunsch, es in Tanz umzusetzen.

Er teilt in dieser Spielzeit seine spanische Heimat in einer weiteren Produktion mit dem Publikum – Lorca. Der Lyriker und Dramatiker Federico García Lorca zählt zu Spaniens vielfältigsten und faszinierendsten Künstlerpersönlichkeiten. In seinem Tanzstück spürt Enrique Gasa Valga gemeinsam mit der Tanzcompany dieser Künstlerpersönlichkeit, der Atmosphäre seiner Gedichte und dem Flair seiner Gedanken nach.

Dem Direktor der Tanzcompany Innsbruck ist es in den vergangenen Jahren immer wieder gelungen, Spitzenchoreografen nach Innsbruck zu holen. Nacho Duato und Jiří Kylián, bedeutende Protagonisten zeitgenössischer Choreografie, liefern mit Dancing Angels eine eindrucksvolle Demonstration ihrer einzigartigen Handschrift. Für Gasa Valga ist es eine Ehre, mit einer eigenen Choreografie einen kleinen Teil zu diesem Tanzabend beitragen zu dürfen. Zum Saisonabschluss feiert Filip Veverka, Assistent der Ballettdirektion, mit der Liebesgeschichte Cyrano de Bergerac seine Premiere als Choreograf in Innsbruck. 

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Tiroler Landestheater Innsbruck . Spielzeitpräsentation 2021.22

Tiroler Symphonieorchester Innsbruck

Wie gewohnt stehen auch in Spielzeit 2021.22 acht Symphoniekonzerte auf dem Programm, dabei nehmen jene Werke, die pandemiebedingten Absagen zum Opfer fielen, einen neuen Anlauf: Gemeinsam mit ihrem Chefdirigenten Kerem Hasan widmen sich die Musiker*innen des Tiroler Symphonieorchester Innsbruck Gustav Mahlers beeindruckend monumentaler 5. Sinfonie, kombiniert mit der österreichischen Erstaufführung von Eternal Rhythm des israelisch-amerikanischen Komponisten Avner Dorman. In seinem fünfsätzigen Werk, das er Simone Rubino – einem der vielversprechendsten Schlagzeuger der jungen Generation – auf den Leib geschrieben hat, verwendet Dorman eine große Bandbreite an Perkussionsinstrumenten. Lukas Beikircher, Chefdirigent des Tiroler Landestheaters, wird das TSOI durch eines seiner absoluten Wunschstücke, Anton Bruckners fünfte Symphonie, leiten. Sowohl Ludwig van Beethovens Sechste als auch Igor Strawinskis Le Sacre du Printemps ernteten bei ihren Uraufführungen Spott und Ablehnung, Strawinskis Werk provozierte gar einen handfesten Skandal. Mit beiden Werken – und der Natur in all ihrer Schönheit, aber auch Urgewalt – setzt sich Kerem Hasan auseinander.

Der Solohornist des TSOI, Joan Bautista Bernat Sanchis, interpretiert das 1. Hornkonzert von Richard Strauss, und mit dem spanischen Ensemble Fetén Fetén wird traditionelle spanische Musik erlebbar – Pfeifen, Flöten und Fiedeln inklusive. Die Geigerin Arabella Steinbacher spielt zum ersten Mal mit dem TSOI, auf dem Programm steht Beethovens einziges Violinkonzert, das – trotz seines eher holprigen Starts nach der Uraufführung – heute aus dem Geigen-Repertoire und den Konzertsälen der Welt nicht mehr wegzudenken ist. Ein Wiedersehen gibt es mit dem gebürtigen Letten Ainārs Rubiķis, der in der Saison 2017.18 schon einmal am Pult des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck stand – er bringt ein seltenes Soloinstrument im symphonischen Bereich mit: das Akkordeon. Sein slawisch-nordisches Programm umfasst unter anderem die 5. Symphonie von Sibelius.

Zwei Gastspiele führen das TSOI in der Spielzeit 2021.22 nach Salzburg bzw. Villach: Unter Oksana Lyniv, Dirigentin des ersten Symphoniekonzerts der Spielzeit 2021.22, gastiert das Orchester im Festspielhaus in Salzburg. Erweitert wird in der neuen Saison die Musikvermittlung „Zugabe“, die Kindern einen aktiven und kreativen Zugang zur Musik ermöglicht. Zwei neue Konzertformate für 1,5- bis Dreijährige bzw. Vier- bis Sechsjährige sowie ein Mitmachheft für Kinder zwischen sechs und zehn Jahren bringen dem Nachwuchs die Welt der Musik und das Orchester auf spielerische Weise näher. Ein mit Amnesty International entwickelter Workshop rund um Diversität und Menschenrechte erweitert das Angebot für Schulen. Mit dem Feinripp-Ensemble (Thomas Gassner, Markus Oberrauch und Bernhard Wolf) wird das Konzerthighlight „Herr Zettel ist verwirrt oder ein Sommernachtstraum“ auf die Bühne gebracht.

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Tiroler Landestheater Innsbruck . Spielzeitpräsentation 2021.22

Text: Silke Artner
Fotos: Andrea Leichtfried

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